Freitag, 5. August 2011

Downsizing



Geplante Obsoleszenz unter dem Öko Rettungsschirm





Rettungsschirme sind in Mode. Drunter versammeln wir erst die Banken. Dann die Iren, die Griechen und wenns hart kommt, noch ein paar mehr. Ein gewaltiger Rettungsschirm, an dem permanent noch jemand Stoff annähen muss, damit alle drunter passen. Als alternativlos bezeichnen das unsere Politiker. Dabei verschieben diese mächtigen Leute Probleme, die sie nicht selbst lösen können, möglichst weit nach hinten. Bis es umso mehr rumpelt.

Ähnlich alternativlos zeigt sich unsere Automobilindustrie. Während die Welt sich Tag für Tag mehr mit dem Elektroantrieb befasst, jubelt sie dem Verbraucher still und heimlich Benzinmotoren unter, die er gar nicht forderte. Unter dem Deckmantel von Ökologie und Nachhaltigkeit rückt ein Wort in den Vordergrund, das bisher den wenigsten einen kalten Schauer über den Rücken jagte: Downsizing. Doch was ist Downsizing? Warum denkt die Automobilindustrie, dass wir es brauchen und was für Auswirkungen hat es?

Seit mehreren Jahren geht der Trend bei den meisten Autoherstellern hin zu weniger Hubraum, weniger Zylindern und dem Aufladen von Motoren. Zudem baut man noch eine Menge vermeintliche Spritspartechnologie mit ein. Während Mercedes schon vor vielen Jahren auf den Kompressor setzte (es gab Aufschreie, als ein 4-Zylinder erstmals in einer S-Klasse angeboten wurde), zog Volkswagen später mit irrwitzigen Konstrukten wie dem 1.4 TSI nach, der gleich Kompressor und Turbo beinhaltete. Auch bei BMW ist es nun so weit. Man bereitete den Kunden langsam darauf vor, dass es bald vorbei ist mit dem famosen Reihensechszylinder, indem man ihn nur noch in den oberen PS-Regionen anbot und im Massengeschäft auf 4-Zylinder Benziner setzte. In den neuen Baureihen kommt nun der Turbo obendrauf. Drehmoment und Durchzugsstärke werden nun auch bei BMW zu den Lieblingsmarketingwörtern gehören. Irgendwie macht das Gerücht die Runde, 6-Zylinder Motoren sind plötzlich altmodische Spritfresser. Die Praxis scheint niemanden mehr zu interessieren. So kann man sich in den nächsten Jahren bei vielen Herstellern auf aufgeladene 3-Zylinder Motoren freuen. Ja, man kann durchaus pauschalisieren: Während sich ein Großteil der BMW Eigner früher freuen durfte, dass sein sahniger 6-Zylinder 300.000km und mehr ohne Probleme abspulte, so muss der leidige 120i Besitzer heute mit Motorruckeln noch während der Einfahrphase kämpfen. Während im Verkaufsraum alles noch ganz toll und öko klingt, sprechen die Kunden in Internet-Foren eine andere Sprache.

Nicht das eigentliche reduzieren der Zylinderanzahl ist, abgesehen vom emotional eher öden Motorensound, das Problem. Unter dem Öko-Deckmantel werden dem Verbraucher heute ein Haufen Technologien untergejubelt, die direkt beim Kunden vom Prototypen zur halbwegs funktionierenden Komponente reifen dürfen. Aufladung, Direkteinspritzung, Start&Stop Systeme, immer höhere Einspritzdrücke usw. Zusätzlich wird der Motor von Werk aus auf den EU-Fahrzyklus hin optimiert, so dass auf dem Papier ein möglichst geringer Durchschnittsverbrauch stehen darf, der Kunde real aber 30% und mehr verbraucht.

Im Zuge der Sparmaßnahmen werden auch gerne Ölmessstäbe und Wasser/Öltemperaturanzeigen weggelassen und man lässt den Kunden im Glauben, man habe heute nichts mehr zu beachten. Reinsetzen, fahren, freuen. Die wenigsten Autobesitzer wissen zum Beispiel, dass man einen Turbomotor nicht nur vorsichtig warm-, sondern auch kaltfahren sollte. Das direkte Abstellen an der Tankstelle nach der linken-Spur-Hetzjagd kann schnell teure Schäden nach sich ziehen.
 
Eine kürzere Lebensdauer von Komponenten bringt dem Verbraucher natürlich außer Nachteilen gar nichts. Es ist gut für die Automobilindustrie, die ihren Umsatz zunehmend durch Werkstätten und Ersatzteilverkauf generiert. Ist ein Motor, der öfter gewartet und repariert werden muss und final eine kürzere Lebensdauer aufweist, ökologisch nun wirklich noch vertretbar? Was hat der Kunde von einem Minderverbrauch von 0,5 Litern wenn ihm der Turbo nach 70.000km um die Ohren fliegt?

Auswirkungen hat dies unter dem Rettungsschirm der Garantie erst mal keine. Der Privatkäufer läuft bei den Herstellern sowieso unter ferner liefen. Firmenfahrzeuge werden eben repariert und ab 100.000km sowieso abgestoßen. Der Dumme ist der Verbraucher, der sich keinen Neuwagen leisten kann. Er erwirbt in gutem Glauben an ein deutsches Qualitätsprodukt ein Auto, das mit etwas Glück optisch noch gut dasteht, in dem aber bereits der technische Verfall wütet. Mancher Hersteller, allerdings eher fernöstlich angehaucht, steht dem immerhin mit einer 5- oder 7 Jahre Garantie gegenüber. Sollte man sich nicht fragen, warum man das von einem teuren Premiumprodukt nicht auch erwarten kann?

Als "geplante Obsoleszenz" bezeichnet man bewusst eingebaute Schwachstellen in einem Produkt. Das Produkt wird schneller schadhaft und muss repariert oder erneuert werden. Der Kunde muss also wieder sein Geld zum Hersteller tragen. Der könnte ja sonst nichts Neues mehr verkaufen. Was im Computerbereich seit Jahren schwer in Mode ist (Stichwort Drucker), kann man der Autoindustrie heute auch vorwerfen. Durch eine gesunde Mischung aus Druck auf die Zulieferer, Einsparmaßnahmen und dem Wunsch, dem Kunden alle paar Jahre ein neues Auto zu verkaufen, entwickelt sich auch im Automobilbereich eine Wegwerfgesellschaft.

Abgesehen vom Ärger für den Verbraucher stellt sich vor allem die Frage der Sinnhaftigkeit im Namen der Ökologie. Fortschritt ist wichtig und sollte nicht aufgehalten werden. Man kann nicht permanent dem Altem nachtrauern, weils doch früher so viel besser war. Aber: Fortschritt muss auch Sinn machen und nicht still und heimlich ganz andere Ziele verfolgen als propagiert. Während der Abwrackprämienzeit warfen wir Autos weg, die prächtig funktionierten. Um die Umwelt zu retten? Nein, um die Wirtschaft anzukurbeln. Das Produzieren eines Autos benötigt so viele Ressourcen, dass kein Verhältnis zur Spritersparnis und zum CO²-Ausstoß im eigentlichen Fahrbetrieb besteht. Man könnte argumentieren, dass heute sowieso kaum jemand sein Auto 200.000km oder mehr fährt. Dieses Argument läuft aber in der Gesamtheit ins Leere. Denn solange ein Auto läuft, wird es ja nicht verschrottet. Es kann vier, fünf oder mehr Besitzer haben und anschließend auch noch jemanden im Orient glücklich machen. Traut man das einem 1.4 Liter Turbo-Kompressor zu? Nein, dieser wird nur halb so lange laufen und muss unter unfassbarer Verschwendung von Ressourcen einem neuen Auto Platz machen. Auch die erwähnten Einsparmaßnahmen durch Downsizing sind in der Regel schöngerechnet, da die Verbrauchswerte des EU-Fahrzyklus nur auf dem Papier existieren und Komponenten schneller verschleißen. Auch vor 20 Jahren konnte man einen vernünftig motorisierten Benziner im Alltag mit circa 8 Litern bewegen. Mal ehrlich, hat sich so viel daran geändert? Wir fahren also nun mit Hubraumwanzen und glühenden Turbos durch die Weltgeschichte, in der Hoffnung, nach der Garantiezeit nicht den Geldbeutel leeren zu müssen. Natürlich prangt auf der Windschutzscheibe die grüne Umweltplakette. Wegen Öko, und so.

Spannen wir den Bogen zurück zum Anfang dieser Geschichte. Im Gegensatz zu den Politikern dieser Welt hat die Automobilindustrie den Vorteil, dass sich die Probleme von selbst lösen werden. Der Verbrennungsmotor steht vor den spannendesten Jahren seiner Geschichte. Der Anfang vom Ende wird vermutlich darin münden, dass die erste Generation Elektro dem Downsizing einen Strich durch die Rechnung macht und uns vor 1-Zylinder Triple-Turbo Maschinen bewahrt. Ob man es hoffen soll? Dazu sollte sich jeder sein eigenes Bild machen.

6 Kommentare:

Never hat gesagt…

Interessanter Artikel!
Stimmt mich doch ein wenig nachdenklich und mehr skeptisch gegenüber den schön progagierten Downsizing. Danke dafür. :-)

Anonym hat gesagt…

Sehr gut geschrieben. Zum Thema gibt es noch einen wunderbaren Thread mit fast 100 Seiten

VW/AUDI 1.4TSI das Downsizing-Wunderwerk deutscher Ingenieurskunst genauer betrachtet.

http://a3quattro.de/index.php?page=Thread&threadID=6013

gt86drivers hat gesagt…

Danke für den Link! Interessant! Euer Forum ist super und hat mir bzgl. TT 3.2 auch sehr weitergeholfen!

Anonym hat gesagt…

Endlich mal jemand, der diese These auch vertritt. Ich arbeite in der Branche und mich schüttelt es, was da von Seiten der Zulieferer und der Hersteller noch so alles kommen wird. Alles unter dem Deckmantel der m.E. nach völlig dämlichen EU6-Regelung...
Am Ende sind wir als Kunde der Dumme. Das finanzielle Risiko bei den modernen Motoren ist gigantisch.

Meine Meinung ist seitdem:
Wirkliche Ressourcenschonung sieht anders aus! Jedes NICHT gebaute Auto rettet die Umwelt mehr, als eine alle drei Jahre wechselnde Kutsche, die ihren Verbrauch um knappe 10% reduziert hat - und das auch nur auf dem Papier...

Aber das wird uns noch gewaltig um die Ohren fliegen!

Anonym hat gesagt…

allein die SCR Systeme die bei minus 18 grad nicht mehr funktionieren :(

Besonders bei NFZ

Jan hat gesagt…

sehr Intressantes Thema, gerade wo wohl die Hemmschwelle für die geplante Obsoleszenz nicht nur gegenüber Computer Elektronik wie Drucker etc, sondern nun überall für den Konsumenten überschritten worden zu sein!

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